In den tropischen Dschungel
Im Süden Thailands treffe ich im Dschungel fernab von Zeitungständern der weltbekannten Strände auf Riesenschlangen und auf Moped montierte Supermärkte. Das angrenzende Malaysia durchquere ich von Fischerdorf zu Fischerdorf und kämpfe mit der Verkehrslawine im Großstadtdschungel. Um von Malaysia in den Norden Indonesiens zu kommen, nehme ich ein Boot, auf das mein Rad gerade noch hinaufpasst. Die Reise endet schließlich in Singapur. Dort ist alles anders.
Die Hitze
Schon am frühen Morgen sind 40 Grad Hitze im Schatten erreicht. Sie werden mich die nächste Woche zehn bis zwölf Stunden am Tag begleiten. Nur in der Nacht kühlt es auf 35 Grad ab. Die manchmal vorhandenen Klimaanlagen scheue ich wie der Teufel das Weihwasser. Wieder zu Hause angekommen, lese ich von einer ungewöhnlichen Hitzewelle in Südostasien.
Obwohl ich über 10 Liter trinke, dehydriere ich am ersten Tag bereits nach wenigen Stunden. Auch esse ich zu wenig. Durch den besonders hohen Kalorienbedarf zur Kühlung sollte man bei großer Hitze am Rad besonders viel essen. Appetit hat man gar keinen und Geschäfte, um etwas zu kaufen, gibt es im Dschungel keine. Bald kommen starke Krämpfe und ordentliche Kreislaufprobleme. Am Rad geht es noch einigermaßen, nur absteigen darf ich nicht. Mein Körper kommt direkt aus dem heimischen Winter und ist noch nicht an die notwendige Kühlleistung, an das Aufnehmen von viel Flüssigkeit gewöhnt.
Irgendwann und irgendwie erreiche ich das bestellte Quartier. Nur habe ich es leider für übermorgen bestellt. Die Chefin zeigt Verständnis, gibt mir ein Zimmer und empfiehlt die einzige nahegelegene Essensmöglichkeit. Als ich dort ankomme, stehe ich vor geschlossenen Türen. Ich klopfe, die moslemische Familie erkennt meinen Zustand, öffnet die von mir als himmlisch empfundene Pforte und kocht ein wunderbares Abendessen.
“Im Dschungel bin ich immer. Entweder alleine mit Riesenschlangen oder eingeklemmt in der Blechlawine.
Herzen und Hände
Die Menschen, die ich bei meinen Reisen kennenlerne, heißen mich immer besonders herzlich willkommen. Sie sehen mich nicht als reichen Touristen, sondern als Gast, der sich all die Mühen für ihr Land antut. Gerade wenn ich alleine reise, bin ich besonders auf ihre Hilfe angewiesen.
Thailand
Wenige Stunden nach meiner Ankunft radle ich zum Rai Leh Beach. Vielgepriesen in Reisführern. Der Strand selbst ist tatsächlich schön. Aber schon die gegenüberliegende Straßenseite ist geprägt vom Massentourismus. Das ist nicht so meines. Von nun an treffe ich eher auf Riesenschlangen im Dschungel als auf Zeitschriftenständer.
Um fünf Uhr morgens geht es los zum Kloster Wat Tham Suea. Bereits bei der Planung der Reise versuchte ich, einen sicheren Ort am Fuße des Berges zur Verwahrung meines Rades zu finden. Das auf der Karte enteckte Hotel finde ich trotz Dunkelheit. Es ist auch aufgesperrt, nur schlafen noch alle. Keine gute Idee, hier mein Rad abzustellen. Also fahre ich weiter zum Kloster. Bei den 1200 zum Teil extrem steilen Stufen zu den riesigen Buddhafiguren am Gipfel des Berges bietet eine Frau Glücksbänder an. Ich kaufe ihr eines ab und bitte sie, auf mein Rad aufzupassen. Dazwischen liegt der faszinierende Aufstieg der aufgehenden Sonne entgegen.
Kurz nach dem Supermarkt bin ich wieder schlagartig alleine und sehe zwei Hunde etwa hundert Meter vor mir. Während ich mir blitzartig die geeignete Abwehrstrategie überlege, wird mir klar: Die Hunde sind nicht das Problem. Eine riesige Schlange wälzt sich vor meinem scharf abgebremsten Vorderrad in das Unterholz. Hier wäre mir bei einem Problem nichts eingefallen.
Malaysia
In Malaysia starte ich meine Tage zwei bis drei Stunden vor Sonnenaufgang. Diesmal geht es um 4:30 Uhr los. Bald radle ich bei Sonnenaufgang durch unendliche, sumpfige Reisfelder, entlang von Flüssen und Nebenstraßen und quer durch riesige Insektenschwärme. Die prasseln auf mich ein, als ob es hageln würde. Der Muezzin ruft zum Gebet. Woher die Klänge kommen, kann ich nicht sagen. Dafür hoffe ich, dass kein Insekt mir den Dengue-Virus spendet. Schon ein unglaublich beeindruckendes Erlebnis.
In Malaysia treffe ich auf Malaien, die rund die Hälfte der 34 Millionen Einwohner ausmachen. Ein Viertel der Bevölkerung ist chinesisch stämmig und der Rest hat indische Wurzeln. Indigene Volksgruppen sind nur mehr wenige anzutreffen. Alle Bewohner Malaysias werden als Malaysier bezeichnet. Malaien sind hingegen eine Volksgruppe, die vor allem in den von mir bereisten Ländern Südostasien leben. Im Vorjahr besuchte ich die Kapmalaien in Südafrika. Sie wurden von den Niederländern als Sklaven von der Malaiischen Halbinsel an das Kap gebracht.
Zwölf Stunden am Rad. Dann erreiche ich die Geokoordinaten meines gebuchten Quartiers. Außer Hundeattacken gibt es dort aber nichts. Ich radle raus aus der Gefahrenzone und rufe den Vermieter an. Das Quartier sei wo anders, ganz in der Nähe. Ich soll zur Tankstelle kommen, er holt mich ab. Die ist fünf Kilometer entfernt. Nicht so lustig nach so einem Tag. Wir treffen uns – das Quartier sei ganz in der Nähe, nur 15 Kilometer entfernt. Noch weniger lustig, aber alternativlos. Wir fahren in ein abgelegenes Wohnareal, for Muslims only. Wo es hier etwas zu Essen gibt, frage ich mit einem Kaloriendefizit von rund vier Arbeitstagen eines Büromenschen. Kein Problem, nur zehn Kilometer entfernt. Der Vermieter merkt, dass meine Geduld am Ende ist, und bestellt etwas bei einem Lieferdienst. Es kommt eine Art Plastikessen, dafür nur die Hälfte. Das erfordert eine gehörige Portion Resilienz.
“Hinter einem Bretterverschlag ist eine Art Supermarkt. An der Kasse wartet vor mir ein von seiner harten Tagesarbeit gezeichneter Arbeiter. Er lächelt mich an und lässt mir den Vortritt. Wohl weil ich größer und weiß bin. Ich bedanke mich, zahle, drehe mich zu ihm um, verneige mich und sage 'Thank you Sir'. Das hat wohl noch nie jemand zu ihm gesagt.
Angekommen bei den Batu Caves treffe ich gefühlt fünf Millionen andere Besucher. Eine Art hinduistisches Mariazell, nur hundertmal so groß. In der mächtigen Höhle verteilt ein Priester Punkte auf die Stirn der PilgerInnen. Die danken es ihm mit Geldscheinen, die sie auf sein Tablett legen. Als der ständig Mantras vor sich hersagende Priester seinen Rundgang abschließt, betreten sein Tablett und er das Allerheiligste. Die Mantras verstummen. Dort zählt er unaufgeregt die Geldscheine. Irgendwann habe ich so etwas schon erlebt. Wohl in der Grabeskirche in Jerusalem.
Indonesien
Für die Überfahrt nach Pulau Bintan auf den Riauinseln nehme ich eine kleine Personenfähre durch die Straße von Singapur. Bei der Ankunft erwarten mich zahlreiche Formalitäten und der Hinweis, dass ich beim nächsten Schalter das Visum zu kaufen hätte. Dort sehe ich aber niemanden und gehe weiter - bis ich unmissverständliche Rufe höre. Es ist doch jemand da. Nur ist die Dame so klein, dass ich sie übersehen habe. Die Visagebühr entspricht etwa zwanzig Mittagessen. Nur habe ich keine Indonesische Rupiah. Die Dame greift in ihre private Geldtasche, nimmt meine malaysischen Ringgit, legt den entsprechenden Betrag in Rupiah in die Kasse und die Sache ist erledigt. Nach dem Wechselkurs frage ich nicht. So reise ich ein, in den mit 274 Millionen Einwohnern viertbevölkerungsreichsten Staat der Welt. Verteilt auf über 17.500 Inseln.
Im Morgengrauen radle ich zum Vihara Avalokitesvara Graha, einem der größten chinesischen Tempeln Südostasiens. Besichtigt kann er erst in zwei Stunden werden, aber die Türen sind alle offen. Jetzt habe ich die gesamte Tempelanlage für mich alleine und genieße die Ruhe und den Sonnenaufgang. Etwa schrill ist der fleißig vor sich hinkehrende Roboter. Er reinigt den Boden im Haupttempel. In Eiheiji, einem der beiden japanischen Haupttempel der Soto-Zen Schule, durfte ich den Mönchen noch knieend beim Bodenschruppen helfen.
Ich komme dem Meer immer näher, halte an, nehme eine kleine Seitenstraße und sehe schon die ersten Kinder in Hütten am Wasser spielen. Sie begrüßen mich herzlich und zeigen mir den Weg in ihr Dorf. Anfangs bin ich schon noch ziemlich vorsichtig. Keine Ahnung, was mich jetzt erwartet. Ein ursprüngliches Fischerdorf, das wohl nur sehr selten Besuch bekommt. Auch hier wieder zum Staunen: Wann immer ich in sehr einfache Viertel ohne Touristen komme, seien es die Slums von Kapstadt oder entlegene Jurten in Kirgistan, laufen mir lachende Kinder entgegen.
Singapur
In Sinapur ist alles anders. Nach dem Abzug der britischen Besatzer wird es 1965 von Malaysia unabhängig. Geprägt von Blechhütten ist es eines der ärmsten Länder der Welt. Heute erwirtschaften die 5,7 Millionen Einwohner eines der höchsten Bruttoinlandsprodukte und verfügen über ein besonders gut entwickeltes Sozial- und Gesundheitssystem. Singapur ist eines der reichsten Länder der Welt. Erreicht wurde dies durch konsequente Planwirtschaft einer autoritären Regierung und ein sehr strenges Rechtssystem. Einen Kaugummi zu besitzen ist nur mit ärztlichem Rezept erlaubt. Essen in der Öffentlichkeit ist verboten. Die Verwendung eines fremden Wi-Fi wird mit bis zu 10.000 Dollar bestraft, das unzureichende Spülen einer Toilette mit 100 Dollar. Das öffentliche Auspeitschen von SchülerInnen wird regelmäßig angewandt und wurde von der Lehrergewerkschaft empfohlen. In der Innenstadt von Singapur reihen sich Luxushotels und Edelboutiquen aneinander und mit seinen elf Millionen ausländischen Touristen zählt Singapur zu den zehn meistbesuchten Städten der Welt. Schon zum Staunen.
Das wirklich Harte bei meinen Projekten ist die Rückkehr. Diesmal soll es brutal werden. Ich komme von den so außergewöhnlich höflichen und hilfsbereiten Asiatinnen und Asiaten und zeige dem österreichischen Busfahrer mein Ticket für die Fahrt von Wien nach Graz. Eine Frau kommt völlig außer Atem zum Fahrer gelaufen. „Bitte helfen Sie mir beim Gepäck, mir geht es gar nicht gut.“ Er: „Jo, mir geht's auch net guat.“ Ich: „Helfe ihnen gleich.“ Er: „ I moch des schon.“ Sie: „Schon geschafft. Er: „Na sieachst.“